Nachhaltige Flugkraftstoffe – „ReFuelEU Aviation“

Ein Meilenstein für die Dekarbonisierung der Luftfahrt

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Es ist ein Wandel in der Luftfahrt erforderlich, damit sie nachhaltiger wird. Im Oktober 2023 wurde eine Verordnung der Europäischen Union (EU) mit der Bezeichnung „Initiative ReFuelEU Aviation“ angenommen. Dabei handelt es sich um eine Leitinitiative zur Verringerung der Umweltverschmutzung im Luftfahrtsektor. Die Umwelt stellt für die EASA eine Priorität dar, und im Rahmen von ReFuelEU wurde die Rolle der Agentur bei der Dekarbonisierung der Luftfahrt erweitert.

Dietmar Bloemen

Dietmar Bloemen, Leiter des Programms für nachhaltige Luftfahrt der EASA, erläutert EASA Light, wie diese bedeutende Verordnung zustande gekommen ist, worin ihre wichtigsten Punkte bestehen und was wir als nächstes auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit in der Luftfahrt erwarten können. 

Können Sie den Hintergrund der ReFuelEU-Verordnung erläutern? 

Im Jahr 2019 stellte die EU die Initiative für einen Grünen Deal vor, um den Kontinent bis 2050 klimaneutral zu machen.  Dies führte zu weiteren Maßnahmen, z. B. dem Vorschlag für das Regelungspaket „Fit for 55“, mit dem die Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 % gegenüber dem Stand von 1990 gesenkt werden sollen. Die Regulierungsinitiative „ReFuelEU Aviation“ wurde mit diesem Paket „Fit für 55“ verknüpft, und 2021 legte die Europäische Kommission einen konkreten Legislativvorschlag dafür vor, der schließlich im Oktober 2023 als Verordnung veröffentlicht wurde.

Während der Arbeit an dem Regulierungsvorschlag für „ReFuelEU Aviation“ haben die Gesetzgeber beschlossen, die EASA einzubeziehen, indem sie uns mit bestimmten Aufgaben in Bezug auf die Überwachung, Berichterstattung und Analyse der Verwendung nachhaltiger Flugkraftstoffe (Sustainable Aviation Fuels, SAF) betraut haben.  Für die EASA ist eine solche Einbeziehung selbstverständlich, da wir eine Luftfahrtagentur sind und bereits sehr stark in das Umweltgeschäft eingebunden sind, aber auch, weil wir als technische neutrale Stelle gut positioniert sind, um sensible Luftfahrtdaten zu erhalten und zu bewerten. Während des gesamten Gesetzgebungsverfahrens haben wir die Europäische Kommission in fachlicher Hinsicht unterstützt.

Warum ist ReFuelEU ein Meilenstein für die Luftfahrt? 

Die „Initiative ReFuelEU Aviation“ ist ein sehr wichtiges politisches Instrument, das die EU nutzen wird, um den Luftverkehr in Europa durch die Förderung der Nutzung von SAF zu dekarbonisieren. Derzeit sind SAF für Fluggesellschaften sehr teuer und die Verfügbarkeit ist sehr begrenzt. Es handelt sich also um einen echten Meilenstein, denn die EU ist die erste Region der Welt, die einen Rechtsrahmen geschaffen hat, der die Produktion von SAF und die Lieferung von SAF an die Fluggesellschaften fördert und somit auch einen Markt schafft, der zu einem Anstieg der Mengen führen wird. Und wenn Sie die Mengen erhöhen können, werden die Preise sinken. 

Sie erwähnen SAF, weil das ein wichtiger Bestandteil von ReFuelEU ist. Wie sieht es mit anderen Energiequellen aus? 

Die Dekarbonisierung wird wahrscheinlich mehrere Lösungen erfordern. Es werden nicht allein die SAF sein. Andere Lösungen könnten betriebliche Verbesserungen, die Nutzung marktbasierter Maßnahmen, aber auch der Einsatz neuer grüner Technologien sein. Und hier denken wir zum Beispiel an ein mögliches mit Wasserstoff angetriebenes Flugzeug oder an ein Flugzeug, das mit Batterien betrieben wird, oder in der Hybridform mit Batterien.

Die Gesetzgeber wollten dies bereits in der ReFuelEU‑Verordnung berücksichtigen, indem sichergestellt werden sollte, dass Flughäfen der EASA über ihre Projekte zur Errichtung der Infrastruktur an ihren Flughäfen Bericht erstatten. Dies gilt nicht nur für SAF, sondern auch für Wasserstoff und Strom. Es ist ein vollständiges Bild. Es deckt in erster Linie die SAF ab, enthält aber auch Elemente zur Erforschung neuer Technologien.

Was unternimmt die EASA bereits im Rahmen von ReFuelEU?

Seit der Erteilung des Mandats und der Annahme der Verordnung laufen die Vorbereitungen in unserer Agentur auf Hochtouren, damit wir unsere Rolle in der Gesetzgebung wahrnehmen können. Dazu gehört zum Beispiel der Aufbau einer digitalen Infrastruktur, da unsere Rolle sehr stark mit der Datenberichterstattung verbunden ist. Wir arbeiten derzeit gemeinsam mit verschiedenen Auftragnehmern sehr intensiv an der digitalen Infrastruktur.
Wir müssen uns auch auf die Analyse der eingehenden Daten vorbereiten. Wir sind im vollem Einsatz und sorgen dafür, dass Personal zur Verfügung steht und dass wir bis zu den ersten Anwendungsfristen der Verordnung bereit sind.

Eine der wichtigsten Aufgaben, die der EASA übertragen wurden, ist ein Jahresbericht. Was wird er abdecken und welche Auswirkungen wird er auf eine nachhaltigere Gestaltung des Luftverkehrs haben?

Der Jahresbericht ist aus verschiedenen Gründen ein Eckpfeiler der Rechtsvorschriften. Er wird die Nutzung von SAF durch die Fluggesellschaften, die aggregierten Umfänge der Nutzung fossiler Brennstoffe sowie, wie bereits erwähnt, Daten zu Projekten in den Bereichen Wasserstoff und Elektrizität aufzeigen. Zudem enthält er Informationen über die Entwicklung des Marktes für SAF und über die Preise für SAF und fossile Brennstoffe. 

Der Bericht wird mehreren Zwecken dienen. Zunächst wird er von den Mitgliedstaaten herangezogen, um zu überprüfen, ob die ihrer Aufsicht unterliegenden Luftfahrtunternehmen und Flughäfen die regulatorischen Anforderungen erfüllen. Auf der Grundlage des EASA-Berichts kann die Nichteinhaltung von den Mitgliedstaaten festgestellt werden, und die Beteiligten können mit einer Strafe belegt werden.

Nicht zuletzt wird der Bericht auch der Europäischen Kommission, dem Rat der Europäischen Union und dem Europäischen Parlament als Informationsquelle dienen. Denn es ist wichtig zu überprüfen, ob die in den ReFuelEU-Rechtsvorschriften übernommenen Elemente wirksam sind.

Außerdem gibt es das EU-Kennzeichnungssystem. Können Sie uns dazu einen kurzen Überblick geben?

Das Kennzeichnungssystem der EU ist eine Initiative, mit der die Fluggäste über die nachhaltigen Entscheidungen informiert werden, die sie bei der Buchung ihrer Flugtickets treffen können.

Heute können Sie auf mehreren Buchungsplattformen, wenn Sie einen Flug buchen, bereits die veranschlagten CO-2-Emissionen für diesen Flug sehen. Sie können dann Flüge auf der Grundlage der Umweltleistung vergleichen. Die Gesetzgeber haben bemerkt, dass es heute eine große Vielfalt an Methoden gibt, um die CO2 Emissionen eines Fluges zu prognostizieren. Hier bestehen große Unterschiede. Dies kann zu mangelnder Glaubwürdigkeit führen. Die Gesetzgeber haben nun also beschlossen, diese Beurteilung der CO2-Bilanz einer Aufsichtsbehörde, der EASA, zu übertragen.

Ab 2025 können Luftfahrtunternehmen auf freiwilliger Basis bei der EASA beantragen, ein Gütesiegel für die von ihnen angebotenen Flüge zu erhalten, und dann wird die EASA die erwarteten CO2-Fußabdrücke für diese Flüge bereitstellen. Dies ist ein Informationsinstrument, kann aber auch als Anreiz für Fluggesellschaften dienen, möglichst umweltfreundliche Flüge anzubieten.

Gibt es weitere Aspekte, die Sie im Zusammenhang mit ReFuelEU und der Arbeit der EASA für eine nachhaltigere Luftfahrt hervorheben möchten?

ReFuelEU ist ein echter Vorstoß in Richtung Dekarbonisierung. Es ist aber auch ein Ausgangspunkt, da die Rechtsvorschriften im Jahr 2027 überarbeitet werden, um mögliche weitere Elemente aufzunehmen.

Um Ihnen ein Beispiel zu nennen: Der Luftffahrtsektor muss sich mit den Auswirkungen der Nicht-CO2-Emissionen auseinandersetzen. Während ReFuelEU eigentlich auf die CO2-Emissionen abzielte, wissen wir aus wissenschaftlichen Untersuchungen, dass es auch andere Treibhausgase gibt, die üblicherweise als Nicht-CO2-Emissionen bezeichnet werden.  Dies ist eine weitere wichtige Herausforderung, die die EASA zusammen mit ihren Interessenträgern angehen muss und die wir mit der ReFuelEU-Verordnung verknüpfen können, denn eines der Elemente, mit deren Überwachung wir beginnen werden, ist der Gehalt an Aromaten in fossilen Kraftstoffen. Aromaten sind chemische Bestandteile, die durch Anziehung von Feuchtigkeit Kondensstreifen erzeugen können, wenn sie von Flugzeugtriebwerken ausgestoßen werden. Diese Kondensstreifen können eine wärmende Wirkung haben, weil sie die Wärme der Erdoberfläche einfangen.

Die EASA betrachtet dies ebenfalls als eine sehr wichtige Aufgabe, an der in Zukunft gearbeitet werden muss.  Die Rolle der EASA wird darin bestehen, für die Diskussion über die Politikgestaltung im Bereich der umweltfreundlichen Luftfahrt weitere Informationen bereitzustellen.